Pavla Cedilnik

geb. 4. Juli 1925 in Gamelnje (bei Ljubljana), 
gest. 21. Dezember 2005 

1942 – 1945 in Ravensbrück

DAS UNERMESSLICHE LEID, DAS MEINE MUTTER IN IHREN JUNGEN JAHREN DURCHLEBTE, ZEICHNETE IHR GESAMTES LEBEN. UND MEIN GANZES LEBEN AUCH.“

Als die deutsche Armee im Frühjahr 1941 in Jugoslawien einfiel, schloss sich meine Mutter der Nationalen Befreiungsbewegung an. Im Sommer wurde sie Mitglied der Einheit Rašica, der ersten organisierten, bewaffneten Militäreinheit, die im September 1941 einen örtlichen Polizisten – einen Kollaborateur der Besatzungsmacht – verletzte. Die deutsche Armee griff daraufhin die Einheit Rašica an. Meine Mutter wurde zusammen mit dem Rest der gefangengenommenen Einheit inhaftiert. Es gelang ihr, aus der Zelle zu fliehen, allerdings wurde sie innerhalb weniger Tag erneut aufgegriffen und im Gefängnis in Begunje inhaftiert, wo sie wegen Rebellion angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Aufgrund ihres jugendlichen Alters wurde das Todesurteil aufgehoben. Anfang 1942 wurde sie in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. 

Wie die meisten Häftlinge kehrte meine Mutter nach der Befreiung zu Fuß und per Zug nach Hause zurück. Der Weg nach Hause nahm Monate in Anspruch. Als sie heimkam, war sie physisch und mental erschöpft. 

Als Kind erschien mir meine Mutter als eine unglaublich vergrämte Frau, die nur selten lachte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir gespielt, gemeinsam den Morgen verbracht oder uns unterhalten hätten. Sie verrichtete ihre täglichen Pflichten sorgfältig, bereitete hervorragendes Essen zu, war bemüht, für mich alles perfekt vorzubereiten. Sie war nach all dem Elend, das sie zu überwinden hatte, emotional erschöpft. Es gab keine Zeit für Unterhaltung oder Freude. Ich beobachtete sie begeistert, wenn sie auf dem Bett saß und sich anzog. Ich verstand ihren Zorn und ihre Trauer nicht, die sie im Zusammenhang mit Nachrichten über die Kriege, zu denen es auf der ganzen Welt kam, empfand. Als ich größer wurde, begann ihr Schmerz zu schwinden. Sie begann langsam das Leben zu genießen, wollte allerdings nie an die in Ravensbrück verbrachten Jahre zurückdenken. 

Sie erzählte uns nie von den langen Jahren, die sie in ihrer Jugend im Lager verbrachte. Nur ab und an kleine Schnipsel – von dem Gestank, der vom Krematorium stammte, wenn es im Winter windstill war; den Problemen beim Essen mit einem Holzlöffel – trotz des großen Hungers; den Blasen, die von den Holzschuhen herrührten; der Aufseherin, die sie dermaßen auf das Ohr schlug, dass sie daraufhin taub wurde; den über die Ebene rasenden frostkalten Winden. Sie traf sich manchmal mit ehemaligen Mitgefangenen. Einmal nahm sie an einem Treffen von in Konzentrationslagern Internierten teil. Dies führte zur Rückkehr vieler schlafloser Nächte und viel zu viel Trauer, sodass sie an keinem weiteren Treffen mehr teilnahm.

 

Vanda Straka Vrhovnik
Slowenien
Tochter von Pavla Cedilnik